Verbreitung von Missbrauchsaufzeichnungen verhindern

“Projekt Arachnid” durchsucht das Internet und verschickt Take-Down-Mitteilungen

Berlin, 1. Februar 2019

Opfer sexualisierter Gewalt sind zunehmend damit konfrontiert, dass die Täter den Missbrauch aufzeichnen und im Internet verbreiten. Über eine halbe Million Aufnahmen sexualisierter Gewalt an polizeilich bekannten Opfern wurden in den vergangenen zwei Jahren gefunden.  Dieses Verbrechen ist sehr traumatisierend für die Opfer. Es fühlt sich für sie an, „als sei ihr Missbrauch eine öffentliche Tatsache“, die nie mehr gelöscht werden kann. So äußern sich Betroffene aus Kanada, den USA, den Niederlanden und Deutschland, die vom Kanadischen Zentrum für Kinderschutz („Canadian Center for Child Protection“) in einer internationalen Studie befragt wurden. Die Überlebenden waren zum Zeitpunkt der Gewalttaten sehr jung (87 % unter 11 Jahren), sie wurden entweder Opfer der eigenen Familie und/oder organisierten Kindesmissbrauchs. In vier von zehn Fällen währte ihr Missbrauch über 10 Jahre.

Das enorme Ausmaß dieses Verbrechens machte das kanadische “Projekt Arachnid“ deutlich, das im Rahmen einer Veranstaltung am Dienstag vorgestellt wurde, zu dem der Verein Innocence in Danger eingeladen hatte. Das „Projekt Arachnid“ ist ein Programm, das das Internet auf bereits polizeibekannte Missbrauchsabbildungen durchsucht. Dieses Web-Instrument des Kanadischen Zentrums für Kinderschutz verschickt pro Tag über 700 „Notice and Take Down“ Mitteilungen weltweit – das sind Amtshilfeersuchen, um dokumentierten sexuellen Missbrauch (oft und falsch „Kinderpornografie“ genannt) zu beseitigen. Durch die Verarbeitung von Zehntausenden Bildern pro Sekunde erkennt das Programm Inhalte in einem Tempo, das weit über das traditioneller Methoden hinausgeht. 
Die Umfrageergebnisse der internationalen Studie unterstreichen die Notwendigkeit, dringend Maßnahmen zu ergreifen. Industrie, Politik und Zivilgesellschaft müssen schnell handeln.  

Die USA, Schweden, Finnland und Kolumbien unterstützen bereits das „Projekt Arachnid“. Es freut mich, dass auch Deutschland sein Interesse an der Plattform bekundet hat und dass bereits erste Gespräche zwischen der kanadischen und der deutschen Seite geführt wurden. Um diese Gespräche zu unterstützen, habe ich bereits darum gebeten, es in einer der nächsten Sitzungen auf die Tagesordnung zu setzen.


Der Missbrauchsskandal in Lippe, bei dem drei Tatverdächtigen sexueller Kindesmissbrauch über mehrere Jahre hinweg in mehr als 1.000 Taten zu Lasten von etwa 20 Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren vorgeworfen wird, zeigt, dass wir beim Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch noch viel zu tun haben. In der letzten Legislaturperiode haben wir wichtige Verbesserungen im Kinderschutz – insbesondere durch Verschärfungen im Sexualstrafrecht – erreicht. So haben wir die Verstetigung der Stelle des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und die des Betroffenenbeirats sowie die Verlängerung der Aufarbeitungskommission beschlossen. Aber auch darüberhinausgehende Schritte sind erforderlich, um den Schutz unserer Kinder zu verbessern. 

Hintergrund:
143 getötete Kinder, fast 78 Prozent waren zum Zeitpunkt ihres Todes jünger als sechs Jahre. In 77 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. 4.208 Kinder waren von Misshandlungen betroffen. 43 Prozent von ihnen haben das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet. 13.539 Kinder wurden als Opfer im Bereich der sexuellen Gewalt registriert. Die Verbreitung kinderpornographischen Materials stieg um rund 15 % an. Das ist die traurige Bilanz der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2017. In dieser Statistik werden nur die Fälle erfasst, die tatsächlich zur Anzeige gelangen.

Hier finden Sie die wichtigsten Ergebnisse der qualitativen Internationalen Befragung Betroffener, deren Missbrauchsdarstellungen verbreitet wurde. 
https://www.protectchildren.ca/de/programs-and-initiatives/internationale-befragung-betroffener/