Das Werbeverbot des § 219a muss bleiben

Schwangerschaftsabbrüche sind keine medizinischen Dienstleistungen wie Schönheitsoperationen. Und eine Abschaffung des Werbeverbots führt zu keiner Verbesserung der Konfliktsituation der schwangeren Frau. Auch deswegen muss der Paragraph 219a zum Schutz des ungeborenen Lebens bestehen bleiben.

Eine Kolumne von Sylvia Pantel bei NRW.direkt

Düsseldorf-Süd, 13. März 2018

Noch bevor der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der SPD unterzeichnet war, zeigten die Sozialdemokraten, dass sie kein verlässlicher Partner für eine Große Koalition sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass die SPD einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Paragraphen 219a Strafgesetzbuch (StGB) einbringt, dessen Aufhebung aber nicht im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Dies stellt nicht nur einen erheblichen Vertrauensbruch gegenüber der Union dar, sondern auch einen Koalitionsbruch, den CDU und CSU nicht hinnehmen dürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass dieser Gesetzentwurf einer der Grundüberzeugungen der Union widerspricht – dem Schutz des ungeborenen Lebens.

Jeder Schwangerschaftskonflikt ist eine sehr persönliche Ausnahmesituation, bei der jede Frau als Einzelfall betrachtet und individuell beraten werden muss. Nach § 219a StGB muss eine schwangere Frau persönlich beraten werden und erhält dann eine Bescheinigung darüber, bevor sie den Abbruch durch einen Arzt durchführen lassen darf. Diese Beratung muss nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in erster Linie dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen, außerdem dürfen nicht mehr als 12 Wochen seit der Empfängnis verstrichen sein.

Ich betrachte es als Pflicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sich nach wie vor dafür einzusetzen, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche des § 219a unverändert beizubehalten. Eine Partei, die vom christlichen Menschenbild geprägt und der Verfassung treu ist, darf meiner Ansicht nach das Werbeverbot zur Tötung von ungeborenen Leben weder lockern noch aufheben. Wenn unser Grundgesetz von der unantastbaren Würde des Menschen spricht, dann gilt das auch für ungeborenes Leben. Ich finde es erschreckend, wie diese Tatsache von den Abschaffungsbefürwortern ignoriert wird.

Keine normale medizinische Dienstleistung

Schwangerschaftsabbrüche sind keine normalen medizinischen Dienstleistungen, wie etwa Schönheitsoperation. Daher darf gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass dies so sei. Genau das wäre jedoch die Konsequenz aus der Abschaffung des Werbeverbots. Wenn auf der Homepage eines Arztes der Schwangerschaftsabbruch neben normalen medizinischen Dienstleistungen auftaucht, wäre dies keine reine Information mehr, sondern ginge darüber hinaus. Denn ein solches Nebeneinander der Informationen zu verschiedenen Leistungen läuft auf deren Gleichsetzung hinaus und trägt zu einem schleichenden Prozess bei, der die schwerwiegenden und ethischen Konflikte eines Schwangerschaftsabbruchs ausblendet – und damit dem Schutz des ungeborenen Lebens in der Abwägungssituation viel zu wenig Raum gibt.

Daher ist es wichtig, dass jede schwangere Frau Zugang zu einer unvoreingenommen und ergebnisoffenen Beratung hat. Nur ein vertrauensvolles Gespräch wird der psychischen Belastung gerecht, die ein Schwangerschaftskonflikt für Frauen bedeutet. Im Rahmen der Beratung kann die schwangere Frau ihre Fragen klären, sich tiefgründig beraten lassen und dann erst eine selbstbestimmte Entscheidung treffen. Ein selbstverständlicher Bestandteil der Beratung ist es auch, Informationen darüber zu übermitteln, welche Ärzte einen Schwangerschaftsabbruch durchführen würden. Diese Möglichkeit eines sicheren Abbruches für Frauen bleibt unangetastet, wenn sie sich aus individuellen schwerwiegenden Gründen nicht anders als dafür entscheiden kann. Das geltende Recht verweigert der Schwangeren also keinesfalls die Möglichkeit, sich über Abbrüche zu informieren, sondern gewährleistet diese Möglichkeit in einer rechtlich regulierten Weise.

Eine strikte Trennung zwischen der Beratung und Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs ist nach wie vor geboten. Anderseits könnte der Verdacht entstehen, dass derjenige, der Schwangerschaftsabbrüche vornimmt und daran verdient, eine voreingenommene Empfehlung oder Beratung vornimmt.

Leben zu schützen ist ein Auftrag des Staates

Bei einer Abtreibung nur von „Schwangerschaftsgewebe“ zu reden, erweckt den Eindruck einer unberechtigten Einmischung des Staates in die Privatsphäre einer Frau. Nach meiner Auffassung handelt es sich hier jedoch schon um ein ungeborenes Leben, das bereits Grundrechte hat – auch gegenüber der Mutter. Zudem hat auch das Bundesverfassungsgericht klar entschieden, dass das Grundgesetz unseren Staat dazu verpflichtet, menschliches Leben – auch das ungeborene – zu schützen.

Zur Erfüllung seiner Schutzpflicht muss der Staat also ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, um einen angemessenen und wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens zu gewährleisten. Dazu bedarf es des § 219a StGB, der Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindet. Die Ausführungen jener, die sich für eine Änderung oder eine Streichung des Paragraphen 219a einsetzen, erweisen sich nach meiner Überzeugung als nicht plausibel – weder aus der Perspektive der gesamten gesetzlichen Lösung zum Schwangerschaftsabbruch noch im Hinblick auf den von der Verfassung gebotenen und deshalb vom Gesetzgeber besonders herausgestellten Schutz des ungeborenen Lebens.

Als Mutter von fünf erwachsenen Kindern und Familienpolitikerin spreche ich mich klar und deutlich gegen eine Änderung der bisherigen Rechtslage aus. Diese ist weder im Sinne einer transparenten Information notwendig noch führt sie zu irgendeiner Verbesserung der Konfliktsituationen schwangerer Frauen. Sowohl aus ethischer als auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist die Beibehaltung des § 219a StGB zwingend notwendig.

Hinweis: Kurz vor der Veröffentlichung dieser Kolumne wurde bekannt, dass die SPD-Fraktion ihren Antrag auf Streichung des § 219a StGB zurückzieht. Union und SPD haben sich stattdessen darauf geeinigt, dass die Bundesregierung einen eigenen Vorschlag zum § 219a erarbeiten soll.