Keine Corona-Bonds!

Sylvia Pantel begründet, warum sie die Folgen der Coronakrise in der Euro-Zone nicht durch gemeinschaftliche Schulden  finanzieren möchte

Berlin, 24. April 2020

Liebe Blog-Leserinnen und liebe Blog-Leser,

wir diskutieren in der Union zurzeit die Ausgestaltung möglicher Hilfspakete für Länder, die besonders von der Corona-Krise betroffen sind. Innerhalb der EU arbeiten wir an einem ausgeglichenen Hilfsprogramm, das zu keinen nachhaltigen Verzerrungen führen soll. Aus zahlreichen wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Gründen lehnen wir in der CDU Corona-Bonds ab.

Deutschland ist sich seiner Verantwortung in Europa bewusst. Wir profitieren wie jeder Mitgliedsstaat sehr von einem friedlichen integrierten Europa und leisten unseren Beitrag dazu. Eine solidarische Unterstützung in dieser Krise darf aber nicht überstürzt und aktionistisch sein. Wir brauchen zielgerichtete Hilfe und Unterstützung für betroffene Länder, keinen pauschalen und ungenauen Rundumschlag wie Corona-Bonds.

So hat Deutschland unter anderem die intensiv-medizinische Betreuung von einigen Patienten aus besonders überlasteten europäischen Ländern übernommen. Zusätzlich wurden Hilfsgüter und Ärzteteams in Krisengebiete geschickt.

Als größter Garantie- und Kapitalgeber für die europäischen Rettungsschirme Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) sorgt Deutschland für niedrige Zinsen für diese Institutionen. Dabei nehmen wir selbst keine Mittel aus diesen Fonds in Anspruch. Deutschland hat zudem etwa rund 19 Prozent des Kapitals der Europäischen Investitionsbank (EIB) bereitgestellt, empfängt aber selbst weniger als 8 Prozent der Förderkredite. Mit rund 25 Prozent ist Deutschland größter Zahler im EU-Haushalt und es  werden ca. 10 Prozent davon wieder in Deutschland ausgegeben. An diesen zielgerichteten Hilfsmaßnahmen leisten wir also schon jetzt einen besonders hohen Anteil.

Corona-Bonds ziehen komplizierte Verhandlungen in rechtlichen Fragen nach sich, zahlreiche Verträge müssten dafür geändert werden, was wertvolle Zeit kostet. Stattdessen können bereits jetzt die bestehenden Hilfsmaßnahmen der EU genutzt werden. Dazu zählen die Soforthilfe des EU-Haushaltes in Höhe von 37 Mrd. Euro und der ESM. Deutschland würde sich außerdem auch an einer Förderung und Finanzierung eines Europäischen Kurzarbeitergeldes beteiligen.

Corona-Bonds lehnt die CDU/CSU noch aus weiteren Gründen ab. Mit solchen Bonds müsste Deutschland unbegrenzt für die Schulden anderer Staaten haften. Derzeit dürfen aber nur die deutschen Bürger und der Bundestag entscheiden, wofür die deutschen Steuermittel verwendet werden. Außerdem verbietet die sogenannte „No-Bail-Out“-Klausel im EU-Recht die Haftung für Schulden anderer Staaten. Bei den Rettungsschirmen ESM und EFSF ist die Haftung der Mitgliedsstaaten anders als bei Corona-Bonds begrenzt. Jeder Staat haftet entsprechend der Höhe der Garantien, die er gewährt. Deshalb sind die Rettungsschirme anders als Corona-Bonds EU-rechtlich gesichert und solle  einen Staat nicht überproportional und unbegrenzt belasten. Treffend formulierte im Bundestag unser Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus: „Die deutsche Position ist und war: Solidarität ja, aber auf Grundlage der geltenden Verträge. Das schließt Corona-Bonds – auch durch die Hintertür – aus.“

Außerdem weise ich darauf hin, dass Corona-Bonds auch für Staaten, die deutlich verschuldeter sind als Deutschland, keinen günstigen Zugang zu schuldenbasierter Finanzierung bedeuten. Auch Corona-Bonds sorgen für nationale Schulden. Kein Staat kann oder sollte davon ausgehen, dass durch Corona-Bonds neu aufgenommene Schulden später von anderen Staaten getilgt werden. Eine solche Haltung würde auch die Solidargemeinschaft der EU bedrohen. Da die EZB auch weiterhin nationale Anleihen wie die Italiens aufkauft, kann nicht von einem erschwerten Marktzugang bzw. einer erschwerten Neuverschuldung gesprochen werden. Außerdem müsste Deutschland bei einer gemeinsamen Anleihe von ca. 1.000 Mrd. Euro mehr als ein Viertel der Summe zurückzahlen, obwohl es selbst aber kaum Mittel in Anspruch nehmen kann. Diese Vorstufe einer Transferunion ist weder zweckdienlich, noch stimmt sie mit der Ausrichtung der EU überein. Es würden nicht nur einige wenige Staaten wie Deutschland in der Krise noch zusätzlich belastet, sondern auch der erste Grundstein für eine unerwünschte Transferunion gelegt werden.  Auch unterstreiche ich den Satz unseres Fraktionsvizes Carsten Linnemanns, dass man „Solidarität nicht mit Haftungsvergemeinschaftung verwechseln“ dürfe. Die Krise dürfe „kein Vorwand sein, um die letzten Dämme auf dem Weg in die Haftungsunion aus dem Weg zu räumen“. Das gelte „für die EZB genau wie für die EU-Kommission“.

Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise müssen temporär bleiben und dürfen nicht zu einer bleibenden Veränderung von wichtigen Prinzipien der Europäischen Gemeinschaft führen. Wir wollen die EU nicht zu einer Transferunion ausbauen, in der manche Staaten dauerhaft für die Schulden anderer Staaten aufkommen. Das ist nicht solidarisch, sondern greift die Souveränität der Mitgliedsstaaten an und kann darüber hinaus zu politischen Bewegungen wie dem Brexit führen, die am Ende die ganze EU bedrohen.

Klar ist, dass Maßnahmen weiterhin zweckgebunden sein müssen und an Bedingungen geknüpft werden. Kredithilfen können nur dann vergeben werden, wenn die jeweiligen Staaten alles dafür tun, um künftig selbst unabhängiger von ausländischer Hilfe zu sein.

Corona-Bonds aber wären bedingungslos und es wäre nicht davon auszugehen, dass diese Maßnahmen nur zeitlich begrenzt in Kraft bleiben werden. Auch Carsten Linemmann sähe die „Vorschläge für neue milliardenschwere Umverteilungsinstrumente wie Corona-Bonds kritisch“, bei denen drohe, dass „sie dauerhaft bleiben“. Da einige Staaten bei gemeinsamen Anleihen von der guten Bonität anderer Staaten profitieren, sind Corona-Bonds für Länder mit schlechterer Bonität deutlich attraktiver. Es wäre daher schwierig, das Volumen der Bonds in Zukunft zu begrenzen, wenn der Weg einmal beschritten wurde und sich manche Staaten an die Vorteile der günstigen Neuverschuldung durch gemeinsame Anleihen gewöhnt haben. Zuletzt könnten die Mittel aus den Bonds auch für Zwecke verwendet werden, die nicht unmittelbar eine Bewältigung der Corona-Krise zum Ziel haben. Eine nationale Klientelpolitik wie bspw. die Zahlung hoher Renten in einzelnen Ländern kann nicht gesamteuropäisch finanziert werden.

Wir haben viele Institutionen in der EU, die direkt Maßnahmen zur Unterstützung von Mitgliedsstaaten in Krisenzeiten leisten können. Wir brauchen daher keine weiteren undurchschaubaren Zuständigkeiten und dürfen keine Verwässerung der Grundprinzipien der EU zulassen. Dafür setzen die Union und ich mich ein.

Herzlichst

Ihre Sylvia Pantel