Der Diesel – nach 125 Jahren der Anfang vom Ende?

Jahrelang galt der Dieselmotor als höchst effizient, besonders sparsam und umweltfreundlich. Seit „Dieselgate“ leidet er jedoch unter einem Imageverlust. Monatelange Skandalwellen bei verschiedensten Autobauern, erhöhte Abgaswerte und drohende Fahrverbote in deutschen Großstädten haben die Menschen verunsichert. Muss der nagelnde Selbstzünder nun endgültig abgestellt werden?

Eine Kolumne von Sylvia Pantel bei NRW-direkt.net

Düsseldorf-Süd, 8. August 2017

Vor 125 Jahre registrierte das Kaiserliche Patentamt in Berlin am 27. Februar 1892 unter der Nummer 67.207 die Erfindung von Rudolf Diesel – der erste selbstzündende Verbrennungsmotor. Bis heute genoss der Dieselmotor besonderes Ansehen in der ganzen Welt und war lange des Deutschen liebstes Kind. Jahrelang galt der Diesel als besonders spritsparend, zeichnete sich durch hohe Effizienz aus und setzte sich auch bei kleinerem Hubraum mit seiner überzeugenden Durchzugskraft gegen den Ottomotor durch.

Für Vielfahrer bietet der Diesel einige Vorteile, so ist etwa der entsprechende Kraftstoff in Deutschland steuerbegünstigt. Im vergangenen Jahr kostete ein Liter im Schnitt etwa 20 Cent weniger als Super E10. Auf gleicher Strecke erweisen sich die meisten Dieselfahrzeuge gegenüber den Benzinern als ökonomischer; oft ist dabei eine Ersparnis von bis zu 25 Prozent möglich. Auf Dauer macht sich das auch an einem Unterschied im Portemonnaie bemerkbar. Mit einem Anteil von über 50 Prozent an Neuwagenzulassungen in Europa im Jahr 2014 hat sich der Diesel auf dem europäischen Markt bereits lange etabliert und überzeugte auch immer mehr Kundschaft jenseits des Atlantiks – bis zuletzt.

Einst Aushängeschild, heute Dreckschleuder?

Seit dem Herbst 2015 leidet der Diesel jedoch an einem massiven Imageproblem und wird immer stärker angeschwärzt. Der Abgas-Skandal, der bei Volkswagen seinen Anfang fand, zog schnell weite Kreise und verschreckte die nordamerikanische Kundschaft, sorgte aber auch in Europa für Verunsicherung. Die von den Herstellern angegeben Abgaswerte existieren nur auf dem Prüfstand, auf den Straßen übersteigen diese die Höchstwerte um ein Vielfaches.

Über die Jahre haben wir immer genauere Umweltschutzkriterien und strengere Grenzwerte eingeführt, mit dem Ziel, unsere Luft sauberer zu machen. Verkehrsbedingte Emissionen sind in den letzten 25 Jahren in Deutschland um 70 Prozent zurückgegangen. Untersuchungen des Umweltbundesamtes zeigen aber, dass die heutigen Grenzwerte im regulären Straßenverkehr kaum eingehalten werden können. 2016 wurde der Grenzwert bundesweit an so gut wie jeder zweiten verkehrsnahen Messeinrichtung überschritten. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter (bzw. 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer). Die Ergebnisse sind jedoch umstritten und Wissenschaftler sind sich nicht einig. Sie seien stark wetterabhängig und auch die Messmethode habe einen besonderen Einfluss auf das Ergebnis.

Einige Metropolen Europas wollen nun reagieren und innerhalb der nächsten 10 Jahre Dieselfahrzeuge aus den Innenstädten verbannen oder ein vollkommenes Fahrverbot aussprechen. Dabei machen die Autos auf unseren Straßen nach Angaben aus der Wissenschaft nur einen geringen Anteil am Feinstaub aus. Ein beträchtlicher Anteil fällt auf die Industrie zurück, aber auch auf Flugzeuge und Frachtschiffe.

Das Ende des Diesels?

Ich halte es für wichtig, dass wir bei der Dieseldebatte differenziert diskutieren, frei von Ängsten und Ideologien. Viele Menschen pendeln täglich vom Wohnort zum Arbeitsplatz und sind nicht nur beruflich, sondern auch privat auf ein Auto angewiesen. Viele haben oft jahrelang für ihr neues Auto gespart, das nun plötzlich als umweltschädlich eingestuft werden soll. Natürlich sind Umweltstandards einzuhalten, doch bewerte ich die derzeitige Lage als noch zu unübersichtlich, um abschließende Bewertungen abgeben zu können. Ganz eindeutig ist jedoch, dass der Verbraucher über viele Jahre hinweg getäuscht wurde.

Für die Fehlschritte und Falschinformationen der Industrie und die resultierenden Folgen darf der Verbraucher jedoch nicht bestraft und zur Kasse gebeten werden. Jegliche Software-Updates und nachträgliche Veränderungen am Motor dürfen nicht zu Lasten der Autofahrer gehen und keineswegs zu Benachteiligungen an der Teilnahme am Straßenverkehr führen. Wir sollten unaufgeregt Umweltschutz, Forschung und technisch Mögliches verbinden, um Innovationen und Arbeitsplätze für morgen zu sichern. Neben der aktuellen Debatte um Grenzwerte, Fahrverbote und Feinstaub ist es aber auch wichtig, dass der Aufdruck „Made in Germany“ weiterhin den weltweit erstklassigen Standard und den besonderen Ruf deutscher Produkte repräsentiert.